Protagonist Kai Christian Moritz
Cello Milena Ivanova
Piano Daniel Delgado
Licht & Video Swen Seyerlen
Regie Kai Christian Moritz
“An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit.”
So beginnt Heinrich von Kleists Geschichte des Überzeugungstäters Kohlhaas, dem an einer Grenzstation zwei Pferde als Pfand abgenommen werden. Als er zurückkehrt, findet er diese halb verhungert und durch Feldarbeit ruiniert. Weil ihm der Schadensersatz verwehrt wird, beginnt er einen Rachefeldzug, der als Widerstand eines Wehrlosen beginnt und schließlich in einem Blutbad endet. So wird Kohlhaas vom “Muster eines guten Staatsbürgers« auf geradem Wege »zum Räuber und Mörder”. Heinrich von Kleists Novelle stellt bis heute überzeitliche Fragen nach Schuld, Recht, Individuum und Gesellschaft. Sie erzählt von den Mechanismen des Terrors und von der Sogwirkung eskalierender Gewalt.
Wie in einem Vexierspiel erscheinen der Protagonist und seine Widersacher uns bald im Recht, bald im Unrecht, bald beides zugleich. Wie kann es so weit kommen? Wie viele unterschiedliche, gar konkurrierende Gerechtigkeiten gibt es? Und wie lässt sich Gerechtigkeit in letzter Instanz begründen?
Die Erfahrung der Krise, die die Welt seit knapp zwei Jahren in Atem hält, hat gezeigt, von welcher Relevanz diese Fragen sind – dann nämlich, wenn in einem Ausnahmezustand verschiedene Konstruktionen von Gerechtigkeit kollidieren. An dieser Bruchstelle beschreibt Kleist das Phänomen einer eruptiven Gewalt, die beinahe richtungs- und unterscheidungslos alles zerstört. Das Erschießen eines Tankwartes, der auf Einhaltung der Maskenpflicht drängt, oder der Tod von unschuldigen am Barbarossa Platz, sind hier nur die letzten verstörenden Beispiele.
Kai Christian Moritz spürt in seinem Solo diesen modernen Aspekten eines beunruhigenden Textes nach. Es ist wie eine Recherche des eigenen Lebens. Wir leben in einer langen Tradition des Geschichten-Erzählens. So wie Mutter oder Vater an der Bettkante Prinz , böse Hexe, guter König, eben alles sein konnten um den Inhalt der Geschichte zu transportieren, so wird in dieser Inszenierung wie nebenbei der schmale Grat unseres eigenen Ringens um Recht und Unrecht, physisch greifbar. Fast unmerklich springt der Text zwischen Kleists‘ Original und moderner Erzählsprache hin und her und zeigt hier, neben dem Fundament unseres heutigen Deutsch, auch die viel bemühte Metapher des Verfertigens der Gedanken beim Sprechen.
Unterstützt wird Moritz hierbei von dem genialen Duo Milena Ivanova und Daniel Delgado, die schon bei früheren Zusammenarbeiten, ihre hohe Sensibilität im Umgang mit theatralen Texten, die wie bei Kleist eine hoch musikalische Seite besitzen, bewiesen haben. Die beiden geben auf Basis der Werke von Lera Auerbach, den emotionalen Rahmen des Abends vor und begeben sich mit dem Protagonisten auf die Suchen nach der Beantwortung der Frage, wie konnte es nur so weit kommen?
Einlass ab 18:30 Uhr
KunstScheune Würzburg
Herrnhofstraße 7
97076 Würzburg
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